

Auf Einladung des Stadtvorstands von Bündnis 90/DIE GRÜNEN Tübingen fand am Samstag, 21.6.2025, ein Spaziergang zum Thema Barrierefreiheit statt. Trotz warmer Temperaturen traf sich um 14 Uhr eine knapp 20-köpfige Gruppe am Tübinger Hauptbahnhof getroffen um zu testen wie es mit Sehbehinderung oder Rollstuhl ist, sich durch Tübingen zu bewegen. Für den Spaziergang wurden Rollstühle vom Sanitätshaus Brillinger zur Verfügung gestellt und die Vertreter des Vereins Pro Retina stellten Brillen, welche Augenkrankheiten wie Makuladegeneration simulieren und verliehen Blindenstöcke.

Nach einem kurzen Crashkurs zum Umgang mit dem Blindenstock ging es, dem taktilen Leitstreifen folgend, los in Richtung Marktladen. Am Ende des fertig gestellten Teils des Europaplatz endet dieser und der Fußweg geht in den provisorisch abgetrennten Europaplatz weiter. Dieser Weg stellt eine Hürde da, hier gibt es keine Leitstreifen mehr und der Fußgängerüberweg zum Marktladen ist zwar mit einer Mittelinsel ausgestattet, aber hat keine Ausgestaltung als sicherer Fußgängerüberweg mit weiß markiertem Zebrastreifen, sodass Autos, Busse und Fußgänger ihn klar erkennen und sich entsprechen verhalten können. Diese Ecke markierte eine der Stationen, auf die ein besonderes Augenmerk während des Spaziergangs gerichtet wurde. Beim weiteren Spazieren Richtung Neckarbrücke fielen beschädigte taktile Leitstreifen auf, die es Sehbehinderten Menschen erschweren, sich mit dem Blindenstock zu orientieren. Des Weiteren gab es mehrere Blockaden des Leitstreifens durch Fahrräder, Roller, Autos oder Ladenaufsteller, was leider keine Seltenheit ist. Nächster Stop des Spaziergangs war nach der Neckarbrücke mit einem Resümee dieser Strecke. So fällt beim Queren der Neckarbrücke auf; dass dort keinerlei Möglichkeit der Orientierung für Menschen mit Sehbehinderung existiert, weder durch Leitstreifen, noch die Möglichkeit, sich am Brückengeländer zu orientieren. Der weitere Weg führte das Grüppchen die ebenfalls schwer begehbare Mühlstraße hinauf, welche eine zentrale Achse in Tübingen bildet und voll ist mit Fußgängern und Sitzgelegenheiten der Gastronomie.

Anschließend ging es hinein in die Altstadt. Diese stellt mit ihrem Kopfsteinpflaster sowohl für Rollstühle als auch für Blindenstöcke eine Herausforderung dar. Der Eingang zur Altstadt am Schimpfeck wurde erst 2023 zum Vorteil von Fuß-, Rad- und auch Rollstuhlverkehr umgestaltet, leider wurde dabei nicht an Barrierefreiheit für Sehbehinderte gedacht, Leitstreifen oder eine alternative Orientierung fehlen. Gerade an dieser Ecke wäre es wichtig, da hier Fußgänger und Fahrradfahrer chaotisch wuselnd aus allen Richtungen in die Altstadt rein und aus ihr raus fahren. Der Regenablauf in der Neuen Straße, durch die der Spaziergang sich fortsetzte, kann zur Orientierung dienen, wird aber leider durch Aufsteller der angrenzenden Geschäfte sowie Bänke blockiert und ist lückenhaft.

Nächster Verweilpunkt des Spaziergangs war der Holzmarkt, hier richtete die Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Kreis Tübingen, Silvia Pflumm, das Augenmerk der Spaziergänger auf einen Streifen ebeneres Pflaster. Dieser erleichtert Menschen mit Blindenstock oder Rollstuhl das Leben, endet aber leider kurz hinter dem Ende des Holzmarkts in Richtung Marktplatz. Mit dem Blindenstock ist Kopfsteinpflaster wie mit hochhackigen Absatzschuhen ein übles Hindernis. An der nächsten Station, dem Rathaus, wurde ein Teil des Kopfsteinpflasters für eine bessere Zugänglichkeit abgeschliffen, ein Großteil ist allerdings noch unverändert. Dieses Beispiel zeigte sehr gut, dass an vielen Orten punktuell versucht wurde, Barrierefreiheit zu berücksichtigen, aber meist nur an eine betroffene Gruppe oder nicht zu Ende gedacht wurde.
Am Stadtmodell zum Anfassen (bei dem auch wichtige Gebäude in Blindenschrift benannt sind) vor dem Stadtmuseum endete der Spaziergang schließlich gegen 16 Uhr. Trotz heißer Temperaturen sprachen die Teilnehmenden von einem tollen, Horizonte erweiternden Erlebnis. Der Rundgang zeigte Orte auf, an denen die Barrierefreiheit verbessert wurde und sich die Altstadt in die richtige Richtung entwickelt, aber auch Stellen, an welchen es noch Handlungsbedarf gibt. Zudem hat er alle Beteiligten für das Thema sensibilisiert, das auch vor dem Hintergrund einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft immer wichtiger wird.
Artikel kommentieren
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.